Gut in Schuss

Viele Abschnitte des 802 Kilometer langen, öffentlichen Systems inklusive der 103 Sonderbauwerke sind gut in Schuss und funktionieren einwandfrei – und das, obwohl viele Kanäle und Rohre bereits an die hundert Jahre alt sind.

Für ein intaktes Kanalsystem

Die letzten Jahre haben gezeigt, wie wichtig die kritische Infrastruktur ist. Ein funktionierendes Kanalsystem gehört dazu.

Deshalb

Kanalreinigung

In den Kanälen lagert sich Schmutz ab. Sand aus Straßeneinläufen bleibt im Kanal liegen, Fäkal- und andere Schmutzstoffe kommen hinzu: es entsteht Kanalschlamm, der das abfließende Wasser bremst und den verfügbaren Querschnitt des Kanals verringert.

Um die einwandfreie Funktion der Kanäle zu gewährleisten, werden sie von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kanalbetriebs regelmäßig gereinigt und überprüft. Der Reinigungsbedarf fällt dabei sehr unterschiedlich aus: Kanäle mit hohem Gefälle lagern kaum Schmutz ab, da der starke Abwasserstrom auch gröbere Stoffe gut mit sich nehmen kann. Hier kann ein drei- bis vierjährige Reinigungszyklus genügen. Kanäle mit weniger Gefälle dagegen müssen mehrmals im Jahr gereinigt werden. Zugang zum Kanal bietet die Schachtdeckel, die in die Straßen eingelassen sind.

Info
Das in Wiesbaden verwendete Verfahren zur Kanalreinigung heißt Hochdruckspülreinigung (HDSR). Das Spezialfahrzeug dafür steht jeweils am unteren Ende der zu reinigenden Haltung.

Schritt 1:
Durch den Schacht wird an einem 180 m langen Hochdruckschlauch zunächst die Spüldüse in die Haltung eingeführt. Das mit Druck nach hinten austretende Spülwasser treibt die Düse im Kanal vorwärts.

Schritt 2:
Die Düse wird am Schlauch zurückgezogen und spült dabei die Kanalwand mit Hochdruckstrahlen (etwa 120 bar) ab. Spülwasser und Schlamm fließen zum Schacht und werden über einen zweiten Schlauch in das Fahrzeug gesaugt. Dort wird mit aufwändiger Filtertechnik das Spülwasser vom Schlamm getrennt, so dass es erneut zur Reinigung verwendet werden kann (Wasserrückgewinnung). Das reduziert den Bedarf an Frischwasser erheblich.

Am Ende des Arbeitstages wird der gesammelte Kanalschlamm am Hauptklärwerk in einen speziellen Container entsorgt. Das mehrfach benutzte Spülwasser wird anschließend direkt in den Zulauf des Klärwerks eingeleitet.

Kanalispektion

Schäden im Kanal können durch unterschiedliche Einwirkungen entstehen: Verkehrsbedingte Erschütterungen verursachen Risse, eingewachsene Wurzeln können die Kanalwand aufsprengen. Damit kein Abwasser ins Erdreich eintritt, müssen solche Schäden frühzeitig erkannt werden.

Die ELW als Betreiber des öffentlichen Kanalnetze sind gesetzlich dazu verpflichtet, das gesamte Netz innerhalb von 15 Jahren einmal komplett zu inspizieren und den Zustand qualifiziert zu bewerten. Grundlage dafür ist die Eigenkontrollverordnung  (EKVO). Ziel dieser Maßnahmen ist die dauerhafte Instandhaltung und Werterhaltung der Wiesbadener Kanalisation sowie der Schutz des Grundwassers vor an Schadstellen austretendem Schmutzwasser.

Die Ausgangsdaten werden nur bei großen Kanälen durch Begehung gewonnen. In den meisten Fällen kommt eine robotergestützte, fernoptische Kanalinspektion zum Einsatz, die sogenannte TV-Untersuchung.

Tag für Tag ist unser TV Untersuchungswagen im Stadtgebiet unterwegs. Schacht für Schacht wird geöffnet und die Untersuchungskamera in den Kanal hinabgelassen.

Der Operator im Wagen lenkt sie per Fernsteuerung durch die gesamte Haltung bis zum nächsten Schacht. Der schwenkbare Objektivkopf erlaubt die Sichtkontrolle der Haltung selbst sowie sämtliche Einläufe. Um auch in explosionsgefährdeter Atmosphäre gefahrlos arbeiten zu können, verfügen alle elektronischen Einrichtung des Kamerasystems über eine spezielle Stickstoffummantelung.

Die Bilder werden digital archiviert, festgestellte Schäden werden klassifiziert. Nach der Auswertung dieser Daten werden Sanierungsmaßnahmen und Kanalerneuerungen geplant.

Nicht nur die Bausubstanz des Kanals selbst nimmt Schaden, etwa in Form von Rissen oder Brüchen. Immer wieder geschieht es auch, dass Baumwurzeln in den Kanal wachsen. Damit es nicht zur Blockade kommt, muss hier schnell Abhilfe geschaffen werden.

Kanalsanierung

Für die Sanierung eines schadhaften Kanalabschnitts stehen unterschiedliche Maßnahmen zur Verfügung, die nach mehreren Kriterien ausgewählt werden.

Neben der reinen Kostenfrage spielen auch Umweltaspekte oder die zu erwartende Stadtentwicklung eine große Rolle.

Sobald die Videobilder aus der TV-Inspektion ausgewertet und die festgestellten Schäden spezifiziert sind, wird für jede einzelne Haltung* eine Bewertung nach genannten Schadensklassen vorgenommen. Die Schadensklassen bilden die Entscheidungsgrundlagen für Reihenfolge und Umfang der Sanierungsmaßnahmen. Bei kleineren Schäden (Risse, Löcher, undichte Muffen, eingewachsene Wurzeln oder schadhafte und nicht fachgerechte Zuläufe), lohnt sich oftmals eine punktuelle Reparatur durch selbstfahrende Arbeitsroboter oder durch das Einbringen von so genannten Kurzlinern.

Weißt jedoch eine Haltung gleich mehrere schadhafte Stellen auf, dann kann es wirtschaftlicher sein, statt mehrere Einzelmaßnahmen gleich die gesamte Haltung mit einem so genannten Inliner auszukleiden. Ist die Bausubstanz der Haltung überhaupt nicht mehr tragfähig, kann man um eine umfangreiche Baumaßnahmen nicht herum. Der Kanal muss in der Regel aufgegraben und ersetzt werden, was einen Teil oder Vollsperrung der betroffenen Straße erfordert.

Wird in absehbarer Zeit ohnehin ein größerer Kanal benötigt , ist es sinnvoll, den Kanal auch bei kleineren Schäden gleich durch einen größeren zu ersetzen, wenn dadurch auf Jahrzehnte eine störungsfreier Betrieb gewährleistet werden kann.

Schlauchliner

Für diese Art der Sanierung müssen wir keine Baugrube ausheben, aber zeitlich begrenzte Halteverbotsschilder aufstellen!

Schlauchliner sind, vereinfacht gesagt, kunstharzgetränkte Schläuche, die für jeden Kanalabschnitt entsprechend gefertigt werden. Länge, Durchmesser und Wanddicke müssen zum vorhandenen Kanal und dessen Zustand passen. Der Inliner wird in den vorgereinigten Kanalabschnitt eingezogen, mit Druckluft aufgestellt wie ein Ballon und mit UV-Licht ausgehärtet*. Wenn er fertig ist, liegt er als eine zähe zweite Haut fest innen an der Kanalwand und schützt sie vor weiteren Schäden.

Zuletzt werden die bestehenden Hausanschlüsse freigefräst. An Zuläufen erfolgen punktuelle Sanierungen durch Roboter.

Warum stehen dort Halteverbotsschilder, wenn niemand dort arbeitet?

Halteverbotsschilder müssen 72 Stunden vor dem Zeitpunkt aufgestellt werden, ab dem sie gelten sollen, sonst ist das Verbot nicht wirksam.

Wir brauchen eine gewisse Flexibilität, damit Arbeiten zügig durchgeführt werden können. Das hat zur Folge, dass die zeitlich begrenzten Halteverbotsschilder nicht nur für die Stunden der Arbeit vor Ort, sondern für einen etwas größeren Zeitraum gelten müssen.

Die Sanierung mit Schlauchlinern geschieht in mehreren, aufeinanderfolgenden Arbeitsschritten mit einiger Zeit (Tage) Versatz. Daher ist es - unter Berücksichtigung der Punkte 1 und 2 - nicht sinnvoll - ständig zwischen Halteverbot gilt bzw. gilt nicht zu wechsel.  Die Sanierung mit Schlauchlinern lässt mit der Modernisierung einer Wohnung bzw. dem Bau einen Wohnheims vergleichen:

Vergleichspunkt 1 - Arbeitsschritte nacheinander: Wenn in einem Zimmer den Estrich erneuert, kann man nicht gleichzeitig die Fenster einbauen und tapezieren. Wir können nicht gleichzeitig den Schlauchliner aushärten und Hausanschlüsse freifräsen.

Vergleichspunkt 2 - Unterschiedliches nacheinander: Wenn die zukünftigen Bewohner den Boden (Parkett, Fliesen, Teppich etc.) in den zehn Wohnheimzimmern aussuchen können, wird erst z. B. in den Zimmer 2, 5, 7 und 9 Parkett verlegt, dann werden die Zimmer 1, 3, 8 und 1) gefliest und am Ende bekommen Zimmer 4 und 6 Teppich. So ist es auch bei der Sanierung mit Schlauchliner: Erst werden die Liner einer Länge und eines Durchmessers eingezogen, dann die einer anderen Länge bzw. Durchmessers. So kann es sein, dass wir in einer Straße nicht am Stück arbeiten, sondern häufiger

* Bedingt durch die im Kunstharz enthaltenen Lösungsmittel kann es bei der Ausführung der Arbeiten zeitweise zu Geruchsbelästigungen kommen. Diese sind nicht gesundheitsschädlich und auch nur von kurzer Dauer.

Schachtreparatur

Schachtbauwerke, insbesondere der Schachtrahmen, in dem der Schachtdeckel liegt, können durch die permanente Verkehrsbelastung beschädigt werden. Dann wird von ELW_Spezialisten die Straßendecke kreisförmig aufgesägt, der Schachtrahmen wird freigelegt und ausgewechselt. Dank spezieller schnellbindender Baustoffe ist die Baumaßnahme schon nach zwei bis drei Stunden vollständig abgeschlossen und die Straße wieder befahrbar.

* Haltung = Kanalabschnitt zwischen zwei Schächten (Kanaldeckeln)

Kanalbau

Im Siedlungsgebiet folgen Kanäle in der Regel den Verkehrswegen, um gut zugänglich zu sein. Daher sind Baumaßnahmen zwangsläufig mit Verkehrseinschränkungen verbunden. Das Ziel der Bauplanung und Bauleitung ist es, diese Veränderung so gering wie möglich zu halten.

Kanalbaumaßnahmen können offener oder geschlossener, bergmännischer Bauweise durchgeführt werden. Bei der offenen wird der Kanalverlauf von oben freigelegt, also ein Graben ausgehoben. Das ermöglicht zügiges Arbeiten, da die Baustelle optimal zugänglich ist. Bei bergmännischer Bauweise wird unterirdisch im Tunnel gearbeitet, nur die Zugangspunkte liegen offen. So werden die Verkehrsbehinderung im Hauptverkehrsachsen auf ein Minimum beschränkt.

Um den betreffenden Kanalabschnitt während der Bauarbeiten von Wasser frei zu halten, wird eine so genannte Wasserhaltung vorgenommen: Entweder wird parallel zur Baustelle ein provisorisches Rohr verlegt (Notumleitung), oder der Abwasserstrom wird oberhalb der Baustelle abgeriegelt und vorübergehend in einen anderen Sammler umgepumpt.

die ELW kontinuierlich die Kanäle unter den Straßen unserer Stadt.

Während wir uns um das Wiesbadener Kanalnetz kümmern, achten wir immer darauf, Sie so wenig wie möglich in Ihrem Alltag zu behindern. Ohne zum Hindernis zu werden, geht es aber leider nicht.

Wir müssen zeitweise

  • Straßen sperren
  • Fahrbahnen verengen
  • Umleitungen einrichten
  • Flächen als Materiallager nutzen
  • Halteverbotsschilder aufstellen

Und: Wir machen dies, weil wir ein Team sind, das gerne die Verantwortung übernimmt – für Umwelt, für Menschen, für Wiesbaden.

Über 90 Prozent der Wiesbadener Kanalisation ist im sogenannten Mischsystem angelegt. Das bedeutet, dass das Schmutz- und Niederschlagswasser von den Häusern, Gewerbebetrieben, Plätzen und Straßen in den selben Kanal fließt. Im sogenannten Trennsystem fließen Schmutz- und Niederschlagswasser in zwei separaten Rohren, wobei das Niederschlagswasser meist direkt einem Gewässer zugeleitet wird oder versickert.

Rund 74 % der öffentlichen Kanäle sind aus Beton, 15 % aus Steinzeug und 6 % aus Ziegeln gemauert. Die restlichen Kanäle bestehen zum Beispiel aus Stahl, Guss oder Kunststoff.

Fünf Prozent des Wiesbadener Kanalnetzes sind begehbar und 75 % der Kanäle sind kleiner als 40 cm im Durchmesser.

Sonderbauwerke

Um die Abwasseranlagen sicher und überflutfrei zu betreiben, die Gewässerbelastung zu minimieren und einen wirtschaftlichen Betrieb der Abwasseranlagen sicher zu stellen, verfügt das Wiesbadener Kanalnetz über 103 Sonderbauwerke. Diese gliedern sich in:

Regenentlastungsanlagen dienen dazu, bei stärkerem Regen stark verdünntes Mischwasser in einen Vorfluter (Gewässer) unter Einhaltung der zulässigen Grenzwerte abzuleiten, um das nachfolgende Kanalnetz und die Klärwerke nicht zu überlasten. Die Anlagen springen in der Regel 20 bis 30 Mal im Jahr an. Demnach werden 97 % der maßgeblichen Schmutzstoffe sicher zum Klärwerk geleitet.

Es gibt drei Arten Regenentlastungsanlagen:

  • Regenüberläufe (50 Stück): Diese stellen die einfachste Form einer Entlastungsanlage dar, es sind Bauwerke ohne zusätzlichen Speicherraum und technische Ausrüstung.
  • Regenüberlaufbecken (23 Stück): Diese haben wie die Regenüberläufe auch eine Entlastung in ein Gewässer aber ein zusätzliches Rückhaltevolumen zur Speicherung des Abwassers, welches dann zeitlich verzögert den Klärwerken zugeführt wird. Das Gesamtspeichervolumen dieser Anlagen beträgt rund 45.000 m³.
  • Kanalstauräume (8 Stück): Diese Anlagen funktionieren wie ein Regenüberlaufbecken, jedoch ist hier kein Becken angeordnet, sondern das Abwasser wird in den großen Rohrprofilen zwischengespeichert. Der größte der acht Kanalstauräume ist der Hauptsammler West, der auf einer Strecke vom Hauptbahnhof bis zur Kläranlage ein Fassungsvermögen von 17.000 m³ aufweist. Insgesamt haben die Kanalstauräume ein Volumen von 26.000 m³.

Hier unterscheidet man grundsätzlich in Rückhalteräume im Kanalnetz und Rückhalteräume vor der Einleitung in ein Gewässer. In den Regenrückhalteräumen im Kanalnetz wird das Abwasser gespeichert und zeitlich verzögert abgegeben, so dass das nachfolgende Kanalnetz nicht überlastet wird. Eine Einleitung in ein Gewässer erfolgt nicht. Es gibt in Wiesbaden fünf Regenrückhaltebecken und ein Staukanal als Rückhalteraum im Kanalnetz mit einem Speichervolumen von rund 12.000 m³. Um die hydraulische Gewässerbelastung aus den Regenentlastungsanlagen zu verringern, gibt es zwei Rückhaltebecken zwischen Auslasskanal und Gewässer. Diese Becken sind als Erdbecken ausgebildet und haben ein Volumen von 8.000 m³.

Bedingt durch die Topographie Wiesbadens kann nicht sämtliches Schmutzwasser in freiem Gefälle den beiden Klärwerken zugeführt werden, sondern muss über 12 Pumpwerke bis in Höhe der jeweiligen Freispiegelleitungen gehoben werden. Diese Anlagen werden in drei Großpumpwerken und neun kleineren Pumpstationen unterschieden. Darüber hinaus sind neun vorgenannte Regenentlastungsanlagen zusätzlich mit Pumpen ausgerüstet.

Grundsätzlich ist die Versickerung von Regenwasser in Wiesbaden aufgrund der Bodenverhältnisse nur eingeschränkt möglich. In Wiesbaden gibt es zur Zeit eine öffentliche Versickerungsanlage als Erdbecken, in der das Regenwasser aus einem Baugebiet gesammelt wird und im Untergrund versickern kann.