Die Wiesbadener Kanalisation
Eine zuverlässig funktionierende Kanalisation ist ein komplexes System, das jedoch mit einem einfachen Prinzip beginnt: Wasser fließt bergab. Um eine erste Vorstellung von Umfang und Funktion der Wiesbadener Kanalisation zu bekommen, denken wir uns einfach einen Haushalt in Rambach, in dem morgens um 7 Uhr geduscht wird (siehe auch rechte Spalte "Der Weg des Abwassers").
7:01 Uhr
Das Abwasser aus der Dusche fließt durch den privaten Hausanschluss in einen öffentlichen Kanal, der unter der Straße liegt und das Abwasser aller Gebäude und Straßeneinläufe einsammelt. Daher bezeichnet man diesen Kanal als Sammler. Sammler sind entweder mit leichtem Gefälle angelegt oder folgen dem natürlichen Gefälle der Straße, so dass das Wasser
von selbst abfließt – eine sogenannte Freispiegelleitung.
7:10 Uhr
Das Duschwasser fließt in einen größeren Sammler unter der Niedernhausener Straße, der nun schon das Abwasser von ganz Rambach sammelt. Es handelt sich um einen der Hauptsammler in der Wiesbadener Kanalisation. Nach weiteren 14 Minuten lässt das Duschwasser das Goldsteintal rechts liegen.
7:45 Uhr
Das Abwasser fließt um den Hofgartenplatz in Sonnenberg und folgt dann dem Rambachtal unter der Danziger Straße. Von dort geht es immer weiter bergab über das Tennelbachtal in den Chaisenweg.
7:57 Uhr
Das Duschwasser erreicht den Kurpark und folgt der Sonnenberger Straße bis zum Kurhaus, biegt links in die Kurhauskolonnade ab, bis es auf die Wilhelmstraße trifft und ihr weiter abwärts folgt.
8:20 Uhr
Erneut wächst der Abwasserstrom an: Von der Taunusstraße laufen hier auch die Abwässer aus dem nordwestlichen Teil Wiesbadens zu. Gemeinsam fließen sie unter der Wilhelmstraße am Warmen Damm und dem
RheinMain Congresscenter entlang. Dieser Sammler ist mehr als einen Meter hoch, da er bei Regen auch viel Regenwasser aufnehmen muss. Regnet es nicht, dann bildet das Schmutzwasser darin jedoch nur ein kleines Rinnsal.
08:40 Uhr
Vor dem Hauptbahnhof biegt unser Abwasser noch einmal nach rechts ab und fließt unter dem Lilien-Carré in den 3,90 Meter hohen Hauptsammler West, der unterirdisch parallel zu den Gleisen des Hauptbahnhofs südwärts zum Hauptklärwerk führt.
09:10 Uhr
Ziel erreicht! Nach gut 2 Stunden Fließzeit ist das Duschwasser im Hauptklärwerk zwischen Theodor-Heuss-Ring und
Autobahnbrücke angekommen. Hier bleibt es etwa 1,5 Tage und wird dann gereinigt in den Rhein eingeleitet.
Was im Hauptklärwerk mit dem Abwasser passiert, lesen Sie hier. Und hier geht´s zum Klärwerk Biebrich.
Das war einmal
Das Wiesbadener Kanalsystem hat klein angefangen und ist mit der Zeit gewachsen. Werfen wir einen Blick auf die Anfänge.
Anfangs wurden Siedlungsabwässer einfach in bestehende Wasserläufe eingeleitet, die Beseitigung der Schmutzfracht überließ man der Natur. Fünf wasserreiche Bachläufe (Rambach, Dambach, Schwarzbach, Kesselbach und Wellritzbach) sowie das von den Thermalquellen abfließende Wasser boten in Wiesbaden reichlich Gelegenheit zur Schmutzwassereinleitung.


1809
Das früheste dokumentierte Wiesbadener Kanalsystem diente lediglich der kontrollierten Führung von Bach- und Thermalwasser im Stadtgebiet. Da die belasteten Gewässer Gerüche abgaben und Fläche beanspruchten, hat man sie einfach überbaut. So entstand zunächst ein Kanalnetz für die Bäche, das jedoch weiterhin auch das gesamte Schmutzwasser der damals 4.000 Einwohner aufnahm und zum Rhein führte.
1886
Die Wiesbadener Bevölkerung hat sich auf 55.000 Menschen vervielfacht, und die entsprechend wachsende Schmutzwassermenge erforderte eine kontrollierte Erfassung der Abwässer. Denn das infolge des Thermalwasseranteils relativ warme Abwasser begünstigte die Vermehrung von Mikroorganismen. Mit diesem Wasser wurden jedoch unterhalb der Stadt mehrere Getreidemühlen betrieben, so dass mit Krankheitserregern
verunreinigtes Mehl 1885 in Wiesbaden zu einer Typhusepedemie führte. Um zu verhindern, dass weiterhin Krankheitserreger über das Mehl zurück in die Stadt gelangten, wurde ab 1886 neben den Bachkanälen ein Netz separater Mischwasserkanäle angelegt, die das häusliche und gewerbliche Schmutzsowie Regenwasser sammelten und einer im Jahr 1889 fertiggestellten mechanischen Reinigungsanlage am Standort des heutigen Hauptklärwerks zuführten. Erstmals waren damit die Bachläufe vom Schmutzwasser weitgehend entlastet.
1900
Das weitere starke Wachstum Wiesbadens auf rund 100.000 Einwohner ließ das System von 1886 an seine Grenzen stoßen. Da kamen die umfangreichen Baumaßnahmen um den neuen Hauptbahnhof gerade recht: Im Rahmen dieser Großbaustelle wurde unter den Oberingenieuren Brix und Frensch ein vollständig neues Herzstück des Wiesbadener Kanalsystems konzipiert und verwirklicht, das nach mehreren Planänderungen für eine Einwohnerzahl von 350.000 ausgelegt wurde.
1907
Das zentrale Bauwerk war fertiggestellt: der heute noch in Betrieb befindliche Salzbachkanal zwischen dem Warmen Damm und dem Hauptklärwerk. Die seitlich angeordneten Mischwasserkanäle gewährleisten auch heute noch, nach 110 Jahren, eine zuverlässige Entwässerung der Innenstadt.
Der Salzbachkanal, 4,5 Meter hoch und 5 Meter breit, verläuft 7 Meter unterhalb der Wilhelmstraße. Er wurde vollständigvon Hand aus eigens gebrannten Klinkern mit Spezialmörtel mehrlagig gemauert. Bach- und Mischwasser werden hier separat geführt. Als eindrucksvolles Beispiel früher Ingenieurskunst steht das Bauwerk unter Denkmalschutz und kann an bestimmten Tagen besichtigt werden.
Das von Brix und Frensch konzipierte System ist in Wiesbaden heute noch in Betrieb und funktioniert äußerst zuverlässig. Das Konzept war vorausschauend auf große Zukunftsreserven ausgelegt. Seit seiner Inbetriebnahme musste es nicht mehr grundsätzlich geändert, sondern lediglich räumlich erweitert werden, um mit der städtebaulichen Entwicklung Schritt zu halten. Die der Dimensionierung zugrundegelegte Bevölkerungszahl von 350.000 wurde bis heute nicht erreicht, beim Erscheinen dieser Broschüre hat Wiesbaden etwa 277.000 Einwohner. Die ab 1900 gebauten Sammelleitungen leiten daher auch heute noch das gesamte Abwasser der jeweiligen Einzugsgebiete zuverlässig ab.
Eine zuverlässig funktionierende Kanalisation ist in unserer heutigen Gesellschafts- und Siedlungsstruktur unverzichtbar geworden. Nicht nur die gesetzlichen Anforderungen haben sich seit 1900 geändert, sondern vor allem die allgemeinen Erwartungen an die Abwasserableitung und Abwasserreinigung. Über 800 Kilometer öffentlicher Kanäle durchziehen das Wiesbadener Stadtgebiet und leiten die Abwässer rund um die Uhr zuverlässig ab.
Ging es ursprünglich um den naheliegenden Schutz vor Infektionsgefahr und Geruchsbelästigung, so müssen wir angesichts der heutigen Bevölkerungsdichte und der Entwicklung des Umweltbewusstseins viel weiter denken. Eine zuverlässige Trinkwasserversorgung setzt einen hohen Grundwasserschutz und damit eine zuverlässige Erfassung und Reinigung von Abwasser voraus. Freizeit- und Erholungswert des Stadtgebiets stehen mit dem Natur- und Gewässerschutz in engstem Zusammenhang.
Eine hohe Lebensqualität wäre ohne eine zuverlässige Abwasserableitung heute undenkbar – selbst wenn man dabei nur die Beeinträchtigung durch überschwemmte Straßen und Kellerräume infolge einer zu sparsam bemessenen Kanalisation betrachtet. Daher sehen wir uns als Betreiber des Kanalnetzes in der Pflicht der gesamten Stadt.
Weder Gewerbe noch Tourismus, weder Kurbetrieb noch der hohe Wohnwert der Stadt wären ohne den Beitrag der Entwässerung möglich. Alle sind auf die Infrastruktur einer durchdachten Kanalisation angewiesen. Etwa 30 Beschäftigte setzen sich Tag für Tag dafür ein, dass dieses System reibungslos arbeitet. In dieser Broschüre legen wir daher ganz bewusst einen Schwerpunkt auf die Aufgaben und Tätigkeiten rund um die Unterhaltung des Kanalnetzes. Auch sie haben sich naturgemäß ebenfalls stark weiterentwickelt.
Das heutige Wiesbadener Kanalnetz ist ein hochtechnisiertes System, das aktiv gesteuert, betrieben und ausgebaut wird, um die Attraktivität der Siedlungs- und Naturräume Wiesbadens dauerhaft zu erhalten.
Abwassersammlung
Von den Kanälen hat die Kanalisation nicht umsonst ihren Namen, sie sind ihr wesentlicher Bestandteil. Über 800 Kilometer öffentlicher Kanäle durchziehen das Wiesbadener Stadtgebiet und leiten die Abwässer rund um die Uhr zuverlässig ab.
Über 90 Prozent der Wiesbadener Kanalisation ist im sogenannten Mischsystem angelegt. Das bedeutet, dass das Schmutz- und Niederschlagswasser von den Häusern, Gewerbebetrieben, Plätzen und Straßen in den selben Kanal fließt. Nach diesem Prinzip sind über 90 % des Wiesbadener Kanalnetzes angelegt. Dies spart Platz und Aufwand: Im Siedlungsraum wird nur ein einziges Abwassernetz benötigt. Im sogenannten Trennsystem fließen Schmutz- und Niederschlagswasser in zwei separaten Rohren, wobei das Niederschlagswasser meist direkt einem Gewässer zugeleitet wird oder versickert.

Die Hauptsammler sind die „unterirdischen Autobahnen“ des Kanlanetzes. Um auch große Wassermengen aufnehmen zu können, weisen sie Durchmesser bis zu 4 Metern auf. Bei trockenem Wetter fließt darin nur ein kleines Rinnsal Schmutzwasser. Bei Regen jedoch kann der Abfluss über das 100-fache ansteigen und auch die größten Hauptsammler innerhalb von Minuten bis oben füllen.
40 Kilometer des 831 km langen Wiesbadener Kanalnetzes sind begehbar, man kann also aufrecht hindurchgehen. Andererseits sind 75 Prozent der Kanäle kleiner als 40 cm im Durchmesser, die kleinsten messen 20 cm.
Rund 74 % der öffentlichen Kanäle Wiesbadens sind aus Beton gefertigt, 15 % aus Steinzeug, 6 % sind aus Ziegeln gemauert. Die übrigen Kanäle bestehen aus Stahl, Guss oder Kunststoff. Rohre aus Beton sind relativ preisgünstig und halten etwa 60 Jahre lang. Steinzeugrohre sind kostspieliger, halten jedoch im Schnitt 90 Jahre. Im Thermalgebiet mit salzhaltigem (und daher besonders aggressivem) Abwasser verwenden wir Rohre aus Polymerbeton, Steinzeug und glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK).

Die ältesten Wiesbadener Kanäle wurden vollständig aus hochwertigen mehrfach gebrannten Klinkern in Handarbeit gemauert. An einigen Stellen, etwa im Salzbachkanal, ist diese nahezu unverwüstliche Art des Kanalbaues noch zu besichtigen. Heute wäre sie nicht mehr finanzierbar.

Im Detail
Ein 30-cm-Kanal kann je nach Gefälle zwischen etwa 50 und 300 Liter Wasser pro Sekunde ableiten. Ein Sammler von 1,20 Meter Größe bewältigt rund 2.000 bis 4.500 Liter pro Sekunde.
Kanalrohre mit kreisrundem Profil sind einfach herstellbar und daher günstig. Rohre mit Eiprofil bieten den Vorteil, dass sie bei niedrigem Abfluss einen kleineren Querschnitt als solche mit Rundprofil bieten. Das führt zu einer stärkeren Strömung, in der sich weniger Schmutz absetzt.
Bei trockener Witterung fließt selbst in den größten Sammlern nur ein kleines Rinnsal Abwasser. Das ändert sich jedoch bei Regen sehr schnell, wenn auch der Niederschlag ins Kanalnetz fließt. Regen bringt so viel Wasser ins Mischsystem ein, dass der Abfluss augenblicklich auf über das 100-fache ansteigen kann

Nehmen wir einmal an, im Osten des Stadtgebietes geht ein Gewitterschauer nieder. Über Dachrinnen und Straßeneinläufe fließt ein großer Teil des Niederschlags direkt in die Kanalisation und wird zunächst zusätzlich zum alltäglichen Abwasser, dem Trockenwetterabfluss, von dem etwa 1 Meter hohen Hauptsammler aufgenommen und abgeleitet. Der Querschnitt eines Sammlers ist so bemessen, dass auch überdurchschnittliche Regenmengen zunächst noch zuverlässig abgeleitet werden. Ein starker Gewitterschauer kann allerdings den Hauptsammler in wenigen Minuten bis zum Scheitelpunkt füllen. Diesen Abflusswert nennt man Vollfüllung, g, der Sammler ist maximal ausgelastet. Bei anhaltenden Gewitterregen würde jetzt der Wasserstand im Kanal immer weiter ansteigen und über die Kanaldeckel austreten. Damit das nicht geschieht, sind im gesamten Kanalsystem unterschiedliche Rückhaltesysteme zur Dämpfung dieser Abflussspitzen eingebaut.
Als erste dieser Maßnahmen wird in unserem Fall eine Anlage in Erbenheim aktiv: ein offenes Becken, das in der Nordostschleife der Autobahnabfahrt direkt im Verlauf des Hauptsammlers liegt. Der Kanal führt der Länge nach durch das Becken hindurch, wobei der Auslass des Beckens nur so viel Abwasser durchlässt, wie weiter unten in den Sammler hineinpasst. Damit ist baulich sichergestellt, dass der abführende Sammler nicht über seine Vollfüllung hinaus belastet wird. Der nicht abfließende Teil des Zuflusses staut sich im Becken langsam auf, während aus dem Becken weiterhin die maximal mögliche Menge abfließt. Sobald der Zufluss abnimmt, leert sich das Becken wieder. Ein Teil des Mischwassers wird also vorübergehend zurückgehalten bzw. zwischengespeichert. Daher bezeichnet man solche Bauwerke als Rückhaltungen.
Die meisten Regenereignisse im Laufe eines Jahres enden, bevor die Rückhaltungen vollständig gefüllt sind, und können somit ohne weiteres abgefangen werden. Das Becken in Erbenheim beispielsweise kann 2.350 m³ Mischwasser aufnehmen.
Nur wenige Male im Jahr treten so intensive Regenereignisse auf, dass auch die Rückhaltungen vollständig ausgelastet sind. Damit es auch dann nicht zu Überflutungen kommt, sind im Verlauf der Sammler sogenannte Regenüberläufe installiert, die einen Teil des Mischwassers in ein natürliches Gewässer ableiten (siehe nächste Seite). Da das Mischwasser in diesem Fall fast nur noch aus Regenwasser besteht, werden die Grenzwerte zur Einleitung dabei eingehalten – das Gewässer wird durch diese Maßnahme nicht unzulässig hoch belastet.
Auch das Erbenheimer Becken besitzt einen Überlauf in den Wäschbach, es handelt sich damit um ein Regenüberlaufbecken.
Diese Überläufe sind der Grund dafür, dass die Hauptsammler oftmals Gewässern folgen: Sie bieten nicht nur natürliches Gefälle, sondern auch Möglichkeiten zur Entlastung.

Unkontrolliert austretendes Mischwasser würde in der Stadt erhebliche Schäden verursachen. Um die bei Starkregen entstehenden hohen Abflussspitzen abzufangen, kommen unterschiedliche bauliche Maßnahmen zum Einsatz.
Rückhaltungen füllen sich automatisch, wenn von oben mehr Abwasser kommt, als sie nach unten weitergeben können. Nimmt die zulaufende Menge wieder ab, dann leeren sie sich wieder über ihren Abfluss, sie wirken also ausgleichend.
Überläufe springen erst an, wenn das Kanalnetz und die Rückhaltungen voll ausgelastet sind und schlagen dann einen Teil des stark verdünnten Mischwassers in die Gewässer ab.
Vier Grundformen von Entlastungen sind hier beschrieben. Dabei treten auch Kombinationen dieser Grundformen auf, so können beispielsweise Stauraumkanäle auch mit Überläufen ausgestattet sein. Die Regenentlastungen sind so ausgelegt, dass sie höchstens 20 Stunden pro Jahr anspringen. Bei dieser Dimensionierung stehen Aufwand und Nutzen in einem akzeptablen Verhältnis.
Insgesamt können die Stauräume und Rückhaltungen in der Wiesbadener Kanalisation bei Regen rund 92.000 m³ Mischwasser zwischenspeichern und verzögert an die Klärwerke abgeben.

Der bei weitem größte Wiesbadener Stauraumkanal ist der sogenannte Hauptsammler West. Mit 3,90 Meter Durchmesser erstreckt er sich unterirdisch über 1,7 km Länge vom Hauptbahnhof bis zum Hauptklärwerk am Theodor-Heuss-Ring. Er hat ein Fassungsvermögen von 17.000 m³ und nimmt das Abwasser der gesamten Innenstadt, der östlichen Stadtteile und des Staukanals Taunusstraße auf. Auch er besitzt einen Überlauf, der in den parallelen Salzbachkanal entlastet. Elektrisch gesteuerte Drosseleinrichtungen steuern den Abfluss und sorgen dafür, dass das nachfolgende Hauptklärwerk maximal ausgelastet ist.
Eines der größten Wiesbadener Regenrückhaltebecken liegt in der Willi-Werner-Straße in Dotzheim. 24 Säulen stützen die Decke dieses rund 1.000 m² großen unterirdischen Saales. Spektakulär ist vor allem die Wasserrutsche: Das Abwasser aus den Siedlungen Märchenland und Schelmengraben sowie von Teilen der HSK fließt hier etwa 4 Meter hinunter, um den Sammler in der ErichOllenhauer-Straße zu erreichen.
Rückhalteräume und Entlastungen
Regenüberläufe (RÜ) stellen die einfachste Maßnahme dar. Hier ist der Kanal auf ein paar Meter Länge an einer Seite offen und besitzt dort eine genau berechnete Überlaufschwelle. Steigt der Mischwasserspiegel im Kanal über diese Schwelle an, läuft ein Teil des Wassers seitlich ab und wird über ein Rohr oder eine Rinne in einen benachbarten natürlichen Wasserlauf (den sogenannten Vorfluter) abgeschlagen. Zwar gelangt dabei auch ein kleiner Teil Schmutzwasser in das Gewässer, doch ist es dann so stark mit Regenwasser verdünnt, dass die zulässigen Grenzwerte eingehalten werden. Die Wiesbadener Kanalisation hat 50 Regenüberläufe.
Regenüberlaufbecken (RÜB) sind an den Kanal angeschlossene Speicherräume, in denen das Mischwasser aufgestaut und gedrosselt abgegeben werden kann, so dass der nachfolgende Kanal entlastet wird. Meist sind sie unterirdisch angelegt oder zumindest mit einer Abdeckung überbaut. Sie besitzen ebenfalls eine Überlaufschwelle, die anspringt, wenn der Stauraum vollständig gefüllt ist. Die 23 Wiesbadener Regenüberlaufbecken haben ein Gesamtspeichervolumen von rund 45.000 m³.
Stauraumkanäle (SK) entstehen, indem auf einer bestimmten Strecke im Verlauf eines Sammlers Kanalrohre mit größerem Durchmesser eingesetzt werden und ein Stauvolumen bilden. Über Drosseleinrichtungen können Regenablaufspitzen in diesem Teil des Kanals aufgestaut und verzögert an die nachfolgende Kanalisation abgegeben werden. Wiesbaden besitzt 8 Stauraumkanäle, die insgesamt 26.000 m³ Mischwasser aufnehmen können.
Regenrückhaltebecken (RRB) ähneln den Regenüberlaufbecken, besitzen aber keine Entlastung in ein Gewässer: sind sie gefüllt, können sie keine weitere Entlastung bieten. Sie kommen dort zum Einsatz, wo eine Rückhaltung erforderlich ist, ohne dass ein Vorfluter zur Verfügung steht. Die Wiesbadener Kanalisation verfügt über 6 Regenrückhaltebecken mit einem Gesamtvolumen von rund 21.000 m3 .
Ein Kanalnetz wird so angelegt, dass das Abwasser nach Möglichkeit in Freispiegelleitungen fließt. Als Antrieb dient dabei die Schwerkraft – sie kostet nichts und fällt nie aus. Es ist jedoch nicht überall möglich, das Abwasser im Freispiegel zu führen.
Wird beispielsweise ein niedrig gelegenes Baugebiet neu erschlossen, kann das Gefälle von dort zum Klärwerk zu gering für eine Freispiegelleitung ausfallen. Das Abwasser wird dann von einem Hebewerk über eine Druckleitung in einen höher gelegenen Sammler gepumpt, von wo es anschließend im Freispiegel weiterfließen kann. Auch wenn unterschiedliche Kanalisationssysteme zusammengelegt werden, sind in der Regel Hebewerke erforderlich, um Höhenunterschiede zu überbrücken.
Hebewerke sind mit erheblichem Betriebsaufwand verbunden, so dass man ihre Zahl möglichst klein hält. Selbst im komplexen Wiesbadener Kanalnetz sind nur 12 Hebewerke in Betrieb, die wir nach Größe in 3 Großpumpwerke und 9 kleinere Pumpstationen einteilen. Darüber hinaus sind 9 Regenentlastungsanlagen zusätzlich mit Pumpen ausgestattet, die das bei Regenereignissen zurückgehaltene Mischwasser in die Kanalisation zurückfördern, wo ein natürliches Leerlaufen der Rückhaltung baulich nicht gegeben ist.

Das Pumpwerk Wiesbadener Tor in Mainz-Kastel reicht 12 Meter in die Tiefe. Hier werden die Abwässer aus Mainz-Kostheim und Mainz-Kastel um etwa 10 Meter angehoben und fließen dann im Freispiegel weiter zum Klärwerk Biebrich. Dieses Pumpwerk verfügt außerdem über einen Stauraum von 1.800 m³.
ÖSTLICHE STADTTEILE
Die Stadtteile Mainz-Kostheim und Mainz-Kastel entwässern seit 2005 zum Klärwerk Biebrich, jedoch reicht das Gefälle für eine Freispiegelleitung nicht aus. Daher wurden an den Standorten der ehemaligen Klärwerke Pumpstationen eingerichtet, die das Abwasser zum nächsten höhergelegenen Sammler fördern.
Die Abwässer der Stadtteile Naurod, Auringen und Medenbach fließen seit 2007 dem Hauptklärwerk zu. Sie sammeln sich zunächst im Pumpwerk Medenbach in einem sogenannten Pumpensumpf, werden durch fünf Pumpen per Druckleitung über den westlich gelegenen Höhenzug gehoben und fließen dann zum Hauptsammler entlang des Wäschbaches.
Gut in Schuss
In den Kanälen lagert sich Schmutz ab. Sand aus Straßeneinläufen bleibt im Kanal liegen, Fäkal- und andere Schmutzstoffe kommen hinzu: es entsteht Kanalschlamm, der das abfließende Wasser bremst und den verfügbaren Querschnitt des Kanals verringert.
Um die einwandfreie Funktion der Kanäle zu gewährleisten, werden sie von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kanalbetriebes regelmäßig gereinigt und überprüft. Der Reinigungsbedarf fällt dabei sehr unterschiedlich aus: Kanäle mit hohem Gefälle lagern kaum Schmutz ab, da der starke Abwasserstrom auch gröbere Stoffe gut mit sich nehmen kann. Hier kann ein drei- bis vierjähriger Reinigungszyklus genügen. Kanäle mit weniger Gefälle dagegen müssen mehrmals im Jahr gereinigt werden.
Zugang zum Kanal bieten die Schachtdeckel, die in die Straßen eingelassen sind. Auch die sogenannten Sinkkästen in den Straßeneinläufen am Straßenrand müssen gereinigt werden. Einen Sinkkasten kann man sich als Siebeimer vorstellen, in dem der gröbste Schmutz, etwa Laub oder Kieselsteine, aufgefangen wird, damit er nicht in den Kanal gerät. Etwa 28.000 Sinkkästen gibt es an Wiesbadens Straßen. Mit speziellen Saugfahrzeugen reinigen ELW-Mitarbeiter einen Sinkkasten in wenigen Minuten.

Das in Wiesbaden verwendete Verfahren zur Kanalreinigung heißt HochdruckSpülreinigung (HDSR). Das Spezialfahrzeug dafür steht jeweils am unteren Ende der zu reinigenden Haltung.
Schritt 1:
urch den Schacht wird an einem 180 Meter langen Hochdruckschlauch zunächst die Spüldüse in die Haltung eingeführt. Das mit Druck nach hinten austretende Spülwasser treibt die Düse im Kanal aufwärts.
Schritt 2:
ie Düse wird am Schlauch zurückgezogen und spült dabei die Kanalwand mit Hochdruckstrahlen (etwa 120 bar) ab. Spülwasser und Schlamm fließen zum Schacht und werden über einen zweiten Schlauch in das Fahrzeug gesaugt. Dort wird mit aufwendiger Filtertechnik das Spülwasser vom Schlamm getrennt, so dass es erneut zur Reinigung verwendet werden kann (Wasserrückgewinnung). Das reduziert den Bedarf an Frischwasser erheblich.
Am Ende des Arbeitstages wird der gesammelte Kanalschlamm am Hauptklärwerk in einen speziellen Container entsorgt. Das mehrfach benutzte Spülwasser wird anschließend direkt in den Zulauf des Klärwerks eingeleitet.
ARBEITSSCHUTZ
Im warmen Abwasser laufen Fäulnisprozesse ab und erzeugen das brennbare Gas Methan, das mit Luftsauerstoff ein hochentzündliches Gemisch bilden kann. Zudem setzt das Abwasser giftige Stoffe wie Schwefelwasserstoff und Kohlenstoffdioxid frei, die schon in geringer Konzentration beim Einatmen zu Bewusstlosigkeit führen.
Beim Betreten eines Kanalbauwerks sind daher besondere Sicherheitsmaßnahmen zu beachten. Die Mitarbeiter tragen Gaswarngeräte am Körper, Rettungswesten und sogenannte Selbstretter (Atemmasken mit unabhängiger Sauerstofferzeugung für 30 Minuten) sind Pflicht.
Alle in Abwasseranlagen tätigen Mitarbeiter sind speziell geschult, um Unfälle nach Möglichkeit auszuschließen. Elektrische Geräte, die im Kanal eingesetzt werden, verfügen über einen aufwendigen Explosionsschutz.
Für die technische Wartung der Außenanlagen im Stadtgebiet – Hebewerke, Regenentlastungen, Drosseleinrichtungen – ist ein darauf spezialisiertes und sinnvoll ausgestattetes fünfköpfiges Team zuständig.
An jedem Tag ist die Mannschaft im Stadtgebiet unterwegs und hält die Außenanlagen nach einem festen Plan instand. Bewegliche Teile werden geschmiert und getestet, Pumpen werden gewartet und gereinigt, Sichtkontrollen von Stelleinrichtungen sind erforderlich.

Mit speziell ausgerüsteten Fahrzeugen und unter Einhaltung der vorgeschriebenen Arbeitsschutzmaßnahmen werden die vielfältigen Arbeiten zügig und sicher durchgeführt. Die Anlagen im Bereich des Rhein- und Mainufers werden von Mitarbeitern des Klärwerks Biebrich gewartet.
Über die Wartungsarbeiten hinaus müssen Funktionsstörungen rechtzeitig erkannt und behoben werden. Noch vor wenigen Jahren sind deshalb mehrere Fachkräfte täglich durch die Stadt gefahren, um die ordnungsgemäße Funktion aller Anlagen regelmäßig zu überprüfen. Heute sind die Außenanlagen per Mobilfunk an das Prozessleitsystem des Hauptklärwerks angebunden, das die Betriebswerte permanent überwacht.
Schäden am Kanalnetz können durch unterschiedliche Einwirkungen entstehen: Verkehrsbedingte Erschütterungen verursachen Risse, einwachsende Baumwurzeln können die Kanalwand aufsprengen. Damit kein Abwasser ins Erdreich austritt, müssen solche Schäden frühzeitig erkannt werden.
Die ELW als Betreiber eines öffentlichen Kanalnetzes sind gesetzlich dazu verpflichtet, das gesamte Netz innerhalb von 15 Jahren einmal komplett zu inspizieren und den Zustand qualifiziert zu bewerten. Grundlage dafür ist die Eigenkontrollverordnung (EKVO). Ziel dieser Maßnahmen ist die dauerhafte Instandhaltung und Werterhaltung der Wiesbadener Kanalisation sowie der Schutz des Grundwassers vor an Schadstellen austretendem Schmutzwasser. Die Ausgangsdaten werden nur bei großen Kanälen durch Begehungen gewonnen. In den meisten Fällen kommt eine robotergestützte, fernoptische Kamerainspektion zum Einsatz, die sogenannte TV-Untersuchung.
Tag für Tag ist unser TV-Untersuchungswagen im Stadtgebiet unterwegs. Schacht für Schacht wird geöffnet und die Untersuchungskamera in den Kanal hinabgelassen. Der Operator im Wagen lenkt sie per Fernsteuerung durch die gesamte Haltung bis zum nächsten Schacht. Der schwenkbare Objektivkopf erlaubt die Sichtkontrolle der Haltung selbst sowie sämtlicher Einläufe. Um auch in explosionsgefährdeter Atmosphäre gefahrlos arbeiten zu können, verfügen alle elektrischen Einrichtungen des Kamerasystems über eine spezielle Stickstoffummantelung.
Die Bilder werden digital archiviert, festgestellte Schäden werden klassifiziert. Nach Auswertung dieser Daten werden Sanierungsmaßnahmen und Kanalerneuerungen geplant.
Nicht nur die Bausubstanz des Kanals selbst nimmt Schaden, etwa in Form von Rissen oder Brüchen. Immer wieder geschieht es auch, dass Baumwurzeln in den Kanal wachsen. Damit es nicht zur Blockade kom
INFO HAUSANSCHLÜSSE
Die städtische Kanalisation wird von den ELW betrieben und gepflegt – für die privaten Hausanschlüsse sind jedoch die Grundstückseigentümer verantwortlich. Hierfinden Sie weitere Informationen dazu.
Für die Sanierung eines schadhaften Kanalabschnittes stehen unterschiedliche Maßnahmen zur Verfügung, die nach mehreren Kriterien ausgewählt werden. Neben der reinen Kostenfrage spielen auch Umweltaspekte oder die zu erwartende Stadtentwicklung eine große Rolle.
Sobald die Videobilder aus der TV-Inspektion ausgewertet und die festgestellten Schäden spezifiziert sind, wird für jede einzelne Haltung eine Bewertung nach genormten Schadensklassen vorgenommen. Die Schadensklassen bilden die Entscheidungsgrundlagen für Reihenfolge und Umfang von Sanierungsmaßnahmen.
Bei kleineren Schäden (Risse, Löcher, undichte Muffen, eingewachsene Wurzeln oder schadhafte und nicht fachgerechte Zuläufe) lohnt sich oftmals eine punktuelle Reparatur durch selbstfahrende Arbeitsroboter oder durch das Einbringen von sogenannten „Kurz-Linern“. Weist jedoch eine Haltung gleich mehrere schadhafte Stellen auf, dann kann es wirtschaftlicher sein, statt mehrerer Einzelmaßnahmen gleich die gesamte Haltung mit einem sogenannten Inliner auszukleiden.
Ist die Bausubstanz der Haltung überhaupt nicht mehr tragfähig, kommt man um eine umfangreiche Baumaßnahme nicht herum. Der Kanal muss in der Regel aufgegraben und ersetzt werden, was eine Teil- oder gar Vollsperrung der betroffenen Straße erfordert. Wird in absehbarer Zeit ohnehin ein größerer Kanal benötigt, ist es sinnvoll, den Kanal auch bei kleineren Schäden gleich durch einen größeren zu ersetzen, wenn dadurch auf Jahrzehnte ein störungsfreier Betrieb gewährleistet werden kann.
IM DETAIL
Kanalsanierung mit Inliner
Ein Inliner ist ein Schlauch aus Kunstharzmaterial, der die Haltung auf der Innenseite neu auskleidet. Er wird zunächst lose in die Haltung eingezogen und anschließend mit Druckluft aufgestellt, bis er eng an der Kanalwandung anliegt. Abschließend wird das Material durch UV-Bestrahlung ausgehärtet. Damit stellt der Inliner die neue Innenwand der Haltung dar. An Zuläufen erfolgen punktuelle Sanierungen durch Roboter.
Schachtreparatur
Schachtbauwerke, insbesondere der Schachtrahmen, in dem der Schachtdeckel liegt, können durch die permanente Verkehrsbelastung beschädigt werden. Dann wird von ELW-Spezialisten die Straßendecke kreisförmig aufgesägt, der Schachtrahmen wird freigelegt und ausgewechselt. Dank spezieller schnellbindender Baustoffe ist die Baumaßnahme schon nach 2 bis 3 Stunden vollständig abgeschlossen und die Straße wieder befahrbar.
Das Kanalisationssystem muss nicht nur ständig mit dem städtebaulichen Wachstum Schritt halten. Es muss vor allem vorausschauend geplant und konzipiert werden, um auf lange Zeit zuverlässig zu funktionieren.
So muss man beispielsweise bedenken, dass etwa beim Anschluss eines neuen Bebauungsgebietes an das bestehende Netz sich auch für die „alten“ Kanäle Parameter ändern. Schmutzfrachten und Abflussmengen müssen neu berechnet, Sammler und Entlastungen eventuell anders dimensioniert werden.
Ist ein Umbau von Kanälen oder Entlastungsanlagen unumgänglich, führen wir die Planungsarbeiten größtenteils selbst durch. Das hat den Vorteil, dass wir mit dem Blick auf das Gesamtsystem über die aktuell erforderliche Maßnahme hinaus planen können. Wenn etwa ein Sammler erneuert werden muss, für dessen Einzugsgebiet bereits Bebauungspläne vorliegen, so lohnt es sich, den Sammler im Rahmen der Sanierung gleich ausreichend groß für das zukünftig zu erwartende zusätzliche Abwasseraufkommen zu dimensionieren.
Bei der Kanalplanung arbeiten wir eng mit allen zuständigen Gremien und Behörden der Stadt zusammen und stimmen uns beispielsweise mit Tiefbauamt, Verkehrsbetrieben, Denkmalschutzbehörden oder Grünflächenamt ab. Wir geben auch selbst Stellungnahmen dazu ab, inwieweit bei städtebaulichen Planungen und übergeordneten Vorhaben eine Modifikation der Kanalisation ratsam ist.
Unterstützt wird die Planung von einem fortwährend gepflegten Geoinformationssystem (GIS). Darunter kann man sich einen hochpräzisen elektronischen Stadtplan vorstellen, in dem die bestehende Kanalisation exakt abgebildet ist. So lassen sich nicht nur der Bestand dokumentieren, sondern auch Ausbauszenarien durchspielen und Alternativen erörtern.
Muss ein Kanal vollständig saniert, erneuert oder ganz neu verlegt werden, kommt man um eine Baumaßnahme nicht herum. Danach funktioniert der Kanal in der Regel wieder für mehrere Jahrzehnte einwandfrei.
Hier gelangen Sie zu unserem Video auf YouTube "Eine Kanalbaustelle vor der Tür - und nun?"
Im Siedlungsgebiet folgen Kanäle in der Regel den Verkehrswegen, um gut zugänglich zu sein. Daher sind Baumaßnahmen zwangsläufig mit Verkehrseinschränkungen verbunden. Das Ziel der Bauplanung und Bauleitung ist es, diese Behinderungen so gering wie möglich zu halten.
Kanalbaumaßnahmen können in offener oder bergmännischer Bauweise durchgeführt werden. Bei der offenen wird der Kanalverlauf von oben freigelegt, also ein Graben ausgehoben. Das ermöglicht zügiges Arbeiten, da die Baustelle optimal zugänglich ist. Bei bergmännischer Bauweise wird unterirdisch im Tunnel gearbeitet, nur die Zugangspunkte liegen offen. So werden die Verkehrsbehinderungen in Hauptverkehrsachsen auf ein Minimum begrenzt. Um den betreffenden Kanalabschnitt während der Bauarbeiten von Abwasser freizuhalten, wird eine sogenannte Wasserhaltung vorgenommen: Entweder wird parallel zur Baustelle ein provisorisches Rohr verlegt (Notumleitung), oder der Abwasserstrom wird oberhalb der Baustelle abgeriegelt und vorübergehend in einen anderen Sammler umgepumpt.
Glossar
Abfluss
Abfluss nennt man die an einem Punkt eines Kanals vorbeifließende Wassermenge, gemessen in Liter pro Sekunde. Der Abfluss wird mit Q abgekürzt und mit zusätzlichen Indizes spezifiziert: Qtr bezeichnet den Trockenwetterabfluss (ohne Regenwasser) oder Qm den Mischwasserabfluss.
Druckleitung
In einer Druckleitung fließt das Wasser nicht durch Schwerkraft, sondern wird von einer Pumpe gefördert. Da eine Druckleitung stets technischen Aufwand erfordert und laufend Energiekosten verursacht, legt man eine Kanalisation so aus, dass sie mit möglichst wenigen Druckleitungen arbeitet.
Entlastung
Damit es auch bei Starkregen nicht zu einem Rückstau in der Kanalisation kommt, werden große Abflussmengen soweit möglich zurückgehalten bzw. bei extremer Verdünnung unschädlich per Überlauf in ein Gewässer abgeschlagen. Diese Maßnahmen bezeichnet man zusammenfassend als Entlastungen.
Freispiegelleitung
In einer Freispiegelleitung fließt das Wasser infolge eines Gefälles abwärts. Dabei füllt es die Leitung nicht vollständig aus, sondern besitzt noch einen freien Wasserspiegel – daher der Name.
Haltung
Als Haltung bezeichnet man in der Kanalisation den Kanalabschnitt zwischen zwei Schächten.
Hebewerk
Muss das Abwasser Höhenunterschiede überwinden, um beispielsweise ein höher gelegenes Kanalnetz zu erreichen, ist ein Hebewerk erforderlich. Je nach Größe spricht man von Pumpstationen oder Pumpwerken.
Mischsystem
In einem Mischsystem werden Schmutzwasser und Regenwasser in einem gemeinsamen Kanalnetz erfasst, so dass sie sich vermischen und gemeinsam dem Klärwerk zugeführt werden.
Sammler
Als Sammler bezeichnet man einen Kanal, in dem das Abwasser aus unterschiedlichen Quellen gesammelt und abgeleitet wird.
Schacht
Schächte (genauer: Schachtbauwerke) bieten Zugang zur unterirdischen Kanalisation für Inspektions-, Reinigungs- und Instandhaltungsarbeiten. Sie dienen außerdem der Be- und Entlüftung des Kanalnetzes.
Trockenwetterabfluss
In einem Mischsystem ist der aktuelle Abfluss stark vom Wetter abhängig. Wird bei trockener Witterung nur Schmutzwasser ohne Regenwasseranteil abgeführt, spricht man vom Trockenwetterabfluss, der die Kanalisation nur geringfügig auslastet.