High Tech im Abwasser

Im Klärwerk Biebrich wird seit 2001 eine besondere Technologie eingesetzt, die es in dieser Art und Baugröße nur vier Mal in Deutschland gibt: Die dreistufige FestbettTechnologie.

Warum hat man sich in Wiesbaden dafür entschieden? Dazu ein Sprung zurück in 1990er Jahre: Umweltprobleme führten zu einem radikalen Umdenken. Die Europäische Union erließ strengere Grenzwerte für das Abwasser, das von den Klärwerken in die Flüsse eingeleitet wurde – vor allem für die Einleitung von Stickstoff- und Phosphat Verbindungen. Mit der damaligen Technik konnten die geforderten Grenzwerte weder im Klärwerk Biebrich noch in den Klärwerken Kastel und Kostheim eingehalten werden.

Die Stadt Wiesbaden als Betreiber der Klärwerke stand vor einer großen Herausforderung. Da der Standort Biebrich kanalisationstechnisch günstig liegt, wollte man diesen nicht aufgeben. Mit konventioneller Technik konnten jedoch die Forderungen nach Phosphat- und Stickstoffelimination auf der verfügbaren Fläche nicht realisiert werden.

Ein ganz besonderes Klärwerk
Nach einer einjährigen Studie mit zahlreichen Versuchen wurde 1996 beschlossen, am Standort Biebrich ein komplett neues Klärwerk zu bauen, dessen biologische Stufe mit der innovativen Festbett-Technologie arbeitet. Mit Hilfe dieser Technologie kann das Abwasser in einer wesentlich kürzeren Zeit gereinigt werden, so dass ein deutlich geringerer Flächenbedarf im Vergleich zur konventionellen Technik gegeben ist.

Begrenzt wird der Raum vor allem durch die umliegenden Wohngebiete. Und hier zeigt sich eine weitere Besonderheit des Biebricher Klärwerks: Sämtliche Abwasser- und Schlammwege sind  eingehaust, liegen also innerhalb von Gebäuden. Die entstehende Abluft wird abgesaugt und biologisch gereinigt, bevor sie über einen 32 Meter hohen Kamin abgeleitet wird.

Auf den Punkt gebracht: Im Klärwerk Biebrich wird Abwasser ganz unauffällig und kompakt gereinigt – und das mit vorbildlicher Wirksamkeit.

Der Weg des Abwassers

Tag für Tag fließen rund 18 Millionen Liter Abwasser ins Klärwerk, davon etwa 15 Prozent aus Gewerbe- und Industriebetrieben. Das Abwasser kann nach 2,5 bis 6 Stunden Aufenthaltszeit sauber in den Rhein eingeleitet werden. Dabei werden die gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte nicht nur eingehalten, sondern sogar weit unterschritten.

Die Gesamtbelastung der Anlage liegt bei 115.000 Einwohnerwerten (EW). Da die Anlage für 130.000 EW ausgelegt ist, bleibt noch Raum für die städtebauliche Entwicklung. 

Ein Team vom 23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sorgt dafür, dass zum einen das Abwasser gereinigt wird, zum anderen die dabei entstehenden Schlämme fachgerecht behandelt, aufbereitet und entsorgt werden.

Das Abwasser durchfließt zunächst einen Geröllfang, wo schwere Grobstoffe, beispielsweise Kies oder Splitt, zurückgehalten werden. Anschließend wird es auf die Zulaufhöhe des Rechenhauses gehoben. Dafür sorgen fünf Tauchmotorpumpen die das zufließende Abwasser je nach Wasserstand um 8 bis 10 Meter aus den Pumpensümpfen heben.

Im Rechenhaus verteilt sich der Abwasserstrom auf vier große Spaltsiebtrommeln. Alle Schmutzstoffe ab 3 mm Größe, wie Papier und Fäkalien, werden hier zurückgehalten und über langsam rotierende Trommeln automatisch
entfernt.

Das dem Abwasserstrom entnommene Rechengut wird zerkleinert, die organischen Inhaltsstoffe werden mit Betriebswasser ausgewaschen. Im Anschluss daran wird das Rechengut entwässert, in Containern gesammelt und
in einer Müllverbrennungsanlage entsorgt. Das Presswasser wird wieder in den Anlagenzulauf eingeleitet.

IM DEATIL

  • Anzahl Tauchmotorpumpen: 5 › Förderleistung je Tauchmotorpumpe: 240 l/s
  • Anzahl Siebtrommeln: 4
  • Trommeldurchmesser: 1.250 mm
  • Spaltweite Siebtrommeln: 3 mm
  • Rechengut pro Tag: 700 kg (entwässert)

Da im Abwasserstrom auch das von den Straßen abfließende Regenwasser enthalten ist, wird dort zwangsläufig Sand mitgeführt. Dieser Sand wird als nächstes aus dem Abwasser abgezogen. Das ist wichtig, weil er in den nachfolgenden Reinigungsstufen durch seine Schleifwirkung Rohrleitungen und Pumpen beschädigen würde.

Im Klärwerk Biebrich trennen zwei Langsandfänge den Sand vom Abwasser. Über eine Strecke von fast 30 Metern fließt das Abwasser hier sehr langsam, der Sand wird infolgedessen von der Strömung nicht mehr in Schwebe gehalten und setzt sich am Boden ab. Um das Absetzen zu unterstützen, wird von der Seite her Luft eingeblasen, die den Abwasserstrom in eine schraubenförmige Bewegung versetzt. Man spricht deshalb von einem belüfteten Sandfang.

Die Belüftung führt außerdem dazu, dass sich Fette an der Oberfläche sammeln. Sie werden am Ende der Sandfänge abgezogen und direkt der Schlammbehandlung zugeführt. Der abgesetzte Sand wird von einem selbstfahrenden Räumer abgesaugt, in sogenannten Sandklassierern gewaschen, in Containern gesammelt und entsorgt. Die beiden Langsandfänge befinden sich zwar im Freien, sind jedoch vollständig abgedeckt, so dass keine Gerüche entweichen können.

IM DETAIL

Anzahl Sandfänge: 2
Fließgeschwindigkeit: ca. 0,05 m/s
Volumen pro Sandfang: 350 m³
Länge der Sandfänge: 29 m
Tiefe der Sandfänge: 4,5 m
Sandfanggut pro Tag: 300 kg
Eingeblasenes Luftvolumen: 4 m³ pro Minute und Sandfang

In der Vorklärung, der letzten Stufe der mechanischen Reinigung, wird die Fließgeschwindigkeit des Abwassers noch weiter herabgesetzt, so dass auch Stoffe, die bislang in der Schwebe blieben, auf die Beckensohle absinken und dort den sogenannten Primärschlamm bilden. Dieser Schlamm wird von den Balken eines umlaufenden Kettenräumers in einen Schlammabzugstrichter am vorderen Beckenrand geschoben und von dort in die Faultürme zur Schlammbehandlung gepumpt. Im Zulauf der Vorklärung wird dosiert Eisenchlorid zugegeben, um einen Teil der sich im Abwasser befindenden Phosphate zu binden (chemische PhosphatFällung) und mit dem Primärschlamm abzuziehen.

Ungelöste Stoffe, die leichter als Wasser sind, sammeln sich als sogenannter Schwimmschlamm auf der Oberfläche. Der Schwimmschlamm wird von den zurücklaufenden Balken des Kettenräumers an das Ende des Beckens geschoben, dort mit einem zweiten Räumer abgezogen und ebenfalls zur Schlammbehandlung in die Faultürme gefördert.

Das aus der Vorklärung ablaufende Abwasser ist vom überwiegenden Teil der ungelösten Schmutzstoffe befreit und sieht auch schon deutlich sauberer aus. Es fließt über unterirdische Rohrleitungen zum Zwischenpumpwerk und wird anschließend in die biologische Reinigungsstufe gepumpt

IM DETAIL

› Anzahl Vorklärbecken: 2
› Gesamtvolumen: 2.200 m³
› Länge der Vorklärbecken: 36 m
› Tiefe der Vorklärbecken: 4,5 m (am Trichter 6,0 m)
› Durchschnittlicher Schlammabzug pro Tag: 150 m³ 

Das mechanisch vorgereinigte Abwasser enthält fast nur noch gelöste Schmutzstoffe: Kohlenstoff- und Stickstoffverbindungen sowie Phosphate. Diese Substanzen werden in der biologischen Reinigung aus dem Abwasser entfernt. Das ist notwendig, weil sie in der Natur als Pflanzendünger wirken und zu einer Überdüngung der Flüsse mit gravierenden ökologischen Folgen führen würden.

Die biologische Reinigung basiert auf einer riesigen Menge von Mikroorganismen, die in genau gesteuerten Prozessen die Schmutzstoffe aus dem Abwasser verstoffwechseln. Während bei konventionellen Anlagen diese Organismen als „Belebtschlamm“ dem Abwasser beigemischt werden, arbeitet die in Biebrich eingesetzte Festbett-Technologie vollkommen anders. Hier siedelt die Biomasse fest auf Blähtonkugeln oder Bimsgranulat und bildet dort einen schleimigen dichten „Rasen“, der vom Abwasser umflossen wird. Bei einer Aufwuchsfläche von rund 1.500 m² pro m³ Blähtonmaterial ergibt sich eine enorme Abbauleistung; diese ist letztlich der Grund für den geringen Flächenbedarf dieser Technologie.

Im Klärwerk Biebrich stehen in der biologischen Reinigungsstufe zwölf parallele Filterstraßen zur Verfügung. Je nach zulaufender Abwassermenge oder gemessener Schmutzfracht werden maximal elf davon gleichzeitig betrieben. So steht immer eine Filterstraße als Reserve zur Verfügung, entweder um bei laufendem Betrieb Wartungsarbeiten durchführen zu können oder für Notfälle.

Jede Straße besteht aus einem Denitrifikations- und einem Nitrifikationsfilter.

Im vorgeschalteten Denitrifikationsfilter liegt ein anoxisches Milieu mit nur wenig gelöstem Sauerstoff vor. Das zwingt die Mikroorganismen dazu, den für ihren Stoffwechsel erforderlichen Sauerstoff aus im Abwasser enthaltenem Nitrat (NO3-) abzuspalten. Dabei wird gasförmiger Stickstoff frei, der in die Atmosphäre entweicht; da unsere Luft zu 78 Prozent aus Stickstoff besteht, ist das völlig unbedenklich. Als Nitratquelle wird über einen Rezirkulationskanal ständig eine genau dosierte Menge nitrathaltiges Wasser aus dem nachfolgenden Nitrifikationsfilter hierher zurückgeführt. 

Der Nitrifikationsfilter weist eine möglichst sauerstoffreiche (aerobe) Umgebung auf. Über den Düsenboden wird deshalb Umgebungsluft in das Festbett eingeblasen.
Aus Ammoniumstickstoff (NH4+) und dem eingebrachten Luftsauerstoff erzeugen Nitrosomonas-Bakterien zunächst Nitrit (NO2–), das anschließend von Nitrobacter-Bakterien zu Nitrat (NO3–) oxydiert wird. Parallel dazu bauen andere Organismen die noch vorliegenden Kohlenstoffverbindungen weitgehend ab.

Da sich die Biomasse in den Filtern ständig vermehrt und zudem zurückgehaltene Schwebstoffe die Filter nach und nach verstopfen, müssen diese regelmäßig rückgespült werden. Je nach Filter und Auslastung ist eine Rückspülung alle 14 bis 40 Stunden erforderlich.

Für diese Rückspülungen steht gereinigtes Abwasser in einem sogenannten Filtratspeicher bereit. Der Filtratspeicher wird ständig aus dem Abwasserstrom nachgefüllt, der aus der biologischen Stufe abfließt. Bei der Rückspülung wird Wasser aus dem Filtratspeicher – zeitweise mit Druckluft versetzt – über den Düsenboden mit einer so hohen Geschwindigkeit in das Festbett gepumpt, dass sich der Filter bis zu 20 Prozent expandiert. Strömung und Turbulenzen lösen dabei durch Reibung einen Teil der Biomasse von den Füllmaterialien ab und spülen zudem die zurückgehaltenen Schwebstoffe aus. Das dabei entstehende Schlammwasser wird in einen Kanal abgeschlagen und als Überschussschlamm der Schlammbehandlung zugeführt.

Eine Rückspülung dauert etwa 40 Minuten. Anschließend steht die rückgespülte Filterkammer für einen neuen Reinigungszyklus bereit.

IM DETAIL

  • Volumen Filtratspeicher. 600 m³

Eine Kläranlage kann nur dann optimal arbeiten, wenn alle Parameter stimmen. Um das exakt zu überwachen und zu steuern, werden mehrmals täglich an definierten Stellen Proben genommen und entweder in unserem Labor oder im größeren Betriebslabor im Hauptklärwerk ausgewertet. Da die Verweilzeit des Abwassers in einer Festbettanlage sehr viel kürzer als in einem konventionellen Klärwerk ist, müssen wir auf Unregelmäßigkeiten schneller reagieren. Dazu sind an allen wichtigen Stellen sogenannte Online-Messstationen installiert, die permanent Temperatur, pH-Wert, Sauerstoff-, Stickstoffund Phosphatkonzentration messen und an die Schaltwarte übermitteln. Steigt beispielsweise die Schmutzfracht im Ablauf der Vorklärung plötzlich an, werden weitere Filter zugeschaltet. Die Wartung dieser Online-Messstationen liegt in den Händen speziell geschulter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Etwa die Hälfte unseres Teams arbeitet im Zweischichtbetrieb – das Klärwerk schläft nie. Vieles läuft automatisch, aber es gibt für den Früh- und Spätdienst immer etwas zu tun. Alle Schichtteams bestehen daher aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sämtlicher Qualifikationen: Abwassertechnik, Elektrotechnik, Industriemechanik. In der Nacht wird das Klärwerk Biebrich von der Schaltwarte des Hauptklärwerks aus überwacht.

Unsere hochspezialisierte Technik erfordert ein kompetentes Team, und der Abwasserzulauf kennt keine Pausen. Die Wartung und Instandhaltung unserer Anlagen führen wir deshalb selbst durch und halten notwendige Ersatzteile in unserem eigenen Lager vor. Unsere qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den betriebseigenen Werkstätten für Mechanik und Elektrotechnik sorgen dafür, dass der Betrieb bei Störfällen oder Schäden innerhalb kürzester Zeit wieder regulär läuft.

Alles unter Kontrolle

In der oberen Etage des Betriebsgebäudes liegt die Hauptschaltwarte. Der gesamte Betrieb wird von hier aus gesteuert und überwacht: an Werktagen 16,5 Stunden, am Wochenende 8,5 Stunden täglich. In der nicht besetzten Zeit läuft der Betrieb natürlich unverändert weiter, wird aber dann über ein so genanntes Prozessleitsystem von den Mitarbeitern des Hauptklärwerks aus überwacht. Bei einer Störung alarmieren sie den Biebricher Bereitschaftsdienst.

Auf großen Bildschirmen werden alle wichtigen Betriebsdaten der Anlage dargestellt: Temperaturen, Fördermengen, Messwerte, Betriebszustände. All diese Werte werden zusätzlich elektronisch protokolliert und abgespeichert. Die Schichtleitung steht von der Schaltwarte aus mit allen Dienst habenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Funkkontakt, so dass man jederzeit direkt und gezielt in einzelne Prozesse eingreifen kann.

Nicht nur das Klärwerk selbst wird von der Schaltwarte aus überwacht, sondern auch das Kanalsystem mit seinen Pumpwerken und Regenrückhaltungen. Über Fernwirktechnik kann der Fluss von Abwasser und Schmutzfrachten exakt gesteuert werden.

In der Schaltwarte des Klärwerkes laufen täglich Tausende von Messdaten zusammen. Diese Daten werden einerseits gespeichert, andererseits gleich verarbeitet und direkt in die automatische Prozesssteuerung eingebunden.

Alle Messwerte und Betriebszustände lassen sich in der Schaltwarte auf großen Bildschirmen übersichtlich darstellen. Regel- und Grenzwertparameter sowie die von Hand eingegebenen Analysedaten des Labors ermöglichen es, Soll- und Istwerte zeitnah zu vergleichen und den Betriebsablauf optimal zu steuern. Das Personal kann von hier aus jederzeit eingreifen.

Die zentrale Verknüpfung aller Datenströme macht es darüber hinaus möglich, das Klärwerk Biebrich mit seinem gesamten Kanalnetz in den Nachtstunden vom Hauptklärwerk aus „fernzusteuern“.

Täglich werden im Betriebslabor des Klärwerks aktuelle Abwasser- und Schlammproben analysiert, um einen optimalen Betriebsablauf sicherzustellen. Nicht nur die Effektivität der Abwasserreinigung wird dabei überprüft, sondern beispielsweise auch der Abbaugrad von organischen Inhaltsstoffen im ausgefaulten Schlamm – ein Wert, der für die nachfolgende Schlammentwässerung wichtig ist.

Alle wichtigen Parameter werden permanent von OnlineMessstationen überwacht. Auch hier ist es wichtig, regelmäßig Vergleichsanalysen zur Qualitätssicherung durchzuführen, um bei Auffälligkeiten sofort in den Prozess einzugreifen.

Laborarbeiten, die nach exakt genormten Verfahren ablaufen müssen, werden an das größere Betriebslabor im Hauptklärwerk weitergereicht, das dafür bestens ausgestattet ist.

Hunderte von technischen Aggregaten und viele Kilometer Rohrleitungen befinden sich im Klärwerk unter der Erde und sorgen dafür, dass Abwasser, Betriebsstoffe und Schlämme die richtigen Wege nehmen.

Um die technischen Einrichtungen für Wartungs- und Reparaturarbeiten zugänglich zu halten, befinden sie sich vollständig in begehbaren Rohrkanälen.

Alle Leitungen für Schmutz-, Trink-, Trüb- und Betriebswasser, Rohre für Schlämme, für Erd- und Faulgas, Druckluftleitungen zur Ansteuerung von Stelleinrichtungen sowie die elektrischen Messdaten-, Steuer- und Energieleitungen sind nach einem durchdachten System verlegt.

Zur Sicherheit ist ein Brandmelde- und ein PersonenOrtungssystem installiert.

Der Weg des Schlammes

Der neu errichtete Schlammweg des Klärwerks Biebrich wurde nach mehrjähriger Bauzeit 2008 in Betrieb genommen und ermöglicht eine optimale Behandlung des täglich anfallenden Schlammvolumens von rund 200 m³. Drei Viertel des Schlammes kommen aus der mechanischen Reinigungsstufe, ein Viertel stammt aus der Rückspülung der biologisch aktivierten Filter. Zudem befindet sich auf dem Klärwerksgelände eine Annahmestelle, wo Küchenschlämme und Kellereiabwasser angeliefert werden können.

Auch die Schlämme werden nach dem Vorbild der Natur behandelt: Kontrollierte Faulungsvorgänge setzen Energie frei und schließen den Stoffkreislauf. Am Ende wird der verbliebene Schlamm entwässert und einer Verbrennung zugeführt.

Der neu errichtete Schlammweg des Klärwerks Biebrich wurde nach mehrjähriger Bauzeit 2008 in Betrieb genommen und ermöglicht eine optimale Behandlung des täglich anfallenden Schlammvolumens von rund 200 m³. Drei Viertel des Schlammes kommen aus der mechanischen Reinigungsstufe, ein Viertel stammt aus der Rückspülung der biologisch aktivierten Filter. Zudem befindet sich auf dem Klärwerksgelände eine Annahmestelle, wo Küchenschlämme und Kellereiabwasser angeliefert werden können. Auch die Schlämme werden nach dem Vorbild der Natur behandelt: Kontrollierte Faulungsvorgänge setzen Energie frei und schließen den Stoffkreislauf. Am Ende wird der verbliebene Schlamm entwässert und einer Verbrennung zugeführt.

Der wichtigste Schritt in der Schlammbehandlung ist die Faulung. Sie läuft in den zwei markanten Faultürmen ab, dem Blickfang unseres Klärwerks.

Um die im Schlamm enthaltenen organischen Stoffe optimal abzubauen, ist eine Erwärmung auf 35 -37 °C erforderlich. Bei diesen Temperaturen produzieren verschiedene Bakterienstämme aus den organischen Stoffen das sogenannte Faulgas, das hauptsächlich aus dem hoch entzündlichen Methan besteht. Deshalb darf ein Faulturm nur unter strengen Sicherheitsvorkehrungen betreten werden.

Der Faulungsvorgang reagiert sehr empfindlich auf Licht, Sauerstoff und abrupte Temperaturänderungen. Um zu prüfen, ob im wahrsten Sinn des Wortes die Chemie stimmt, werden täglich Schlammproben genommen. Darüber hinaus muss der Inhalt der über 14 Meter hohen Faultürme immer gut durchmischt sein. Über sogenannte Begasungslanzen wird Faulgas an der Sohle eingeblasen und wälzt den Schlamm um.

Nach einer Aufenthaltsdauer von etwa drei Wochen verbleiben im faulenden Schlamm nur noch schwer abbaubare Verbindungen, die Faulgasproduktion geht zurück. Dann bezeichnen wir den Schlamm als „ausgefault“ und ziehen ihn aus dem Faulturm ab.

Der Faulungsprozess reduziert einerseits das Schlammvolumen und damit die Entsorgungskosten, andererseits entsteht energiereiches Faulgas, mit dem Blockheizkraftwerke zur Strom- und Wärmegewinnung betrieben werden.

IM DETAIL

  • Anzahl Faultürme: 2
  • Volumen pro Faulturm: 2.600 m³
  • Faulungstemperatur: 35–37 °C
  • Fauldauer: ca. 3 Wochen
  • Faulgasproduktion: ca. 1.250.000 m³ pro Jahr

Bevor der ausgefaulte Schlamm entsorgt werden kann, wird ihm in mehreren Stufen Wasser entzogen, um Volumen und Entsorgungskosten weiter zu senken. Die erste Stufe ist die Vakuum-Entgasung. Hier wird der noch flüssige Schlamm durch einen trichterförmigen Behälter geleitet, in dem ein Unterdruck besteht. Dadurch lösen sich letzte Faulgasbläschen.

Die nächste Stufe bilden die großen Rundbecken, die sogenannten Nacheindicker, in denen der Schlamm zur Ruhe kommt, Feststoffe zu Boden sinken und der wässrige Überstand, das sogenannte Trübwasser, abgepumpt werden kann.

Anschließend wird das um die Hälfte reduzierte Schlammvolumen aus den Nacheindickern abgezogen, mit einem Flockungsmittel versetzt und in eine Kammerfilterpresse gepumpt. Bei einem Druck von bis zu 15 bar erfolgt nun eine Volumenreduzierung auf ein Sechstel, was etwa zwei Stunden dauert. Der verbleibende „Filterkuchen“ fühlt sich wie feuchte Gartenerde an. Er wird per Schneckenförderer in Container verladen und mit dem LKW zur Verbrennung transportiert.

Das Prozesswasser aus den Nacheindickern und der Kammerfilterpresse ist hoch belastet; sein Schmutzstoffgehalt liegt etwa beim 15-fachen des normalen Roh-Abwassers. In einer sogenannten „sequenziell beschickten Vorbehandlung“ wird das Prozesswasser so weit vorgereinigt, dass es anschließend der biologischen Reinigungsstufe zugeführt werden kann.

Diese Technologie funktioniert ähnlich wie die biologische Reinigung, ist jedoch auf die hohen Schmutzstoffkonzentrationen spezialisiert.

IM DETAIL

Anzahl Eindicker: 3 (davon 1 Voreindicker)
Volumen pro Eindicker: 420 m³
Anzahl Kammerfilterpressen: 1
Filterkammern: 103
Volumen pro Charge: ca. 78 m³
Pressdruck: 15 bar

Das entstandene Faulgas wird an Ort und Stelle als Energiequelle genutzt. Dazu betreiben wir eine Anlage von vier Blockheizkraftwerken, die aus dem Gas sowohl Strom als auch Wärme gewinnt (Kraft-Wärme-Kopplung). Die Wärmeenergie wird über eine hydraulische Weiche in das betriebseigene Fernwärmenetz eingespeist.

Diese Kraftwerksanlage deckt den Wärmebedarf des Klärwerks vollständig und den regulären Strombedarf zu 40 bis 45 Prozent. Den übrigen Strom beziehen wir aus dem Energieversorgungsnetz. Fällt dieses Netz aus, können alle für die Abwasserreinigung relevanten Anlagenteile von unseren Blockheizkraftwerken versorgt werden.

Unser primäres Ziel ist es, den Selbstversorgungsgrad über Blockheizkraftwerke deutlich zu erhöhen. Mit anderen Worten: Die Energie zur Abwasserreinigung bringt das Abwasser schon mit – das ist erneuerbare Energie vom Feinsten. Zudem sind wir ständig bestrebt, durch Optimierungsprozesse den Energieverbrauch zu senken.

IM DETAIL

  • Elektrische Nennleistung: 630 kW pro Kraftwerksblock
  • Thermische Nennleistung: 800 kW pro Kraftwerksblock
  • Fabrikat: MWM TCG 2016V 16K
  • Baujahr: 2008

Adresse des Klärwerks Biebrich

Klärwerk Biebrich, Carl-Bosch-Straße 1, 65203 Wiesbaden  (mit Google Maps öffnen)

 

Wir bilden aus!

In unseren Klärwerken können folgende Berufe in einem interessanten Umfeld erlernt werden:

  • Industriemechaniker (m/w/d)
  • Elektroniker (m/w/d)
  • Fachkraft für Abwassertechnik (m/w/d)

>>  weitere Infos